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Handels­marken: Definition, Beispiele, Vorteile, Strategien

Beitrag von: Richard Erbler | Lesedauer: Min.
Illustration zur Darstellung von Handelsmarken.

Sie sind bei jedem Einzelhändler und Großhändler zu finden: Handelsmarken, oft auch Eigenmarken genannt. Sie tragen entweder Markennamen, die den Namen des Händlers in sich tragen, wie z.B. „Rewe Beste Wahl“ und „Edeka Genussmomente“ oder Phantasienamen, wie z.B. „Balea“ (dm), „Vemondo“ (Lidl), „Lux“ (Obi) oder „Zign“ von Zalando.

Was versteht man unter Handelsmarken?

Unter die Handelsmarke fallen Produkte, dessen Markeninhaber der Händler selbst ist und die vom Händler selbst distribuiert werden. Alle Rechte und Entscheidungen rund um das Produkt bezüglich Herstellung, Verpackung, Preis, Vermarktung und eben Distribution werden vom Händler getroffen.

Der Hintergrund von Eigenmarken

Eingeführt wurden die Handelsmarken, um der starken Marken- und Preispolitik im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) zu entgegnen. Nicht nur als Alternative, sondern auch als Ergänzung zu Markenartikeln setzen sich Handelsmarken seit Jahren immer weiter durch.

Die stärkste Assoziation mit Handelsmarken ist bei der Mehrheit der Verbraucher nach wie vor die Preisgünstigkeit. Allerdings umfassen Eigenmarken heutzutage lange nicht mehr nur günstige Alternativen, sondern auch regionale Marken, Bio- und Fairtrade-Marken, sowie eigene Premiumlinien.

Als Vorreiter können Discounter gelten: hier haben Handelsmarken einen Marktanteil von 63% (Nielsen, 2019). Aber auch bei Lebensmittel-Vollsortimentern wie Edeka oder Rewe machen Handelsmarken ca. 22% des Abverkaufs aus.

Am beliebtesten sind Handelsmarken im Food Bereich bei Konserven (64% Marktanteil) und Molkereiprodukten (55% Marktanteil) und im Near-Food Segment bei Papierwaren wie Toilettenpapier, Küchenrollen, Windeln, usw. (72% Marktanteil) sowie bei Waschmitteln (Nielsen, 2019).

Nicht nur im LEH sind Eigenmarken ein signifikanter Teil des Sortiments. Drogeriemärkte verzeichnen einen Eigenmarkenanteil von bis zu 30%. Auch Parfümerien, Baumärkte und Modehändler vertreiben ihre eigenen Marken, ebenso der an Geschäftskunden ausgerichtete Großhandel.

Quelle: Nielsen

Arten von Handelsmarken

Eingeführt wurden Handelsmarken mit dem klaren Fokus auf einen niedrigeren Preis als konkurrierende Herstellermarken. Heute liegt der Preis der Eigenmarken in der Regel immer noch unter dem vergleichbarer Herstellermarken, jedoch orientieren sich Handelsmarken nicht mehr nur noch am unteren Preissegment, sondern es gibt Handelsmarkenangebote in jedem erdenklichen Preissegment. Dadurch ergibt sich auch für Handelsmarke eine Preisarchitektur nach dem Prinzip „good / better / best“:

  • good = Preiseinstiegssegment: Handelsmarken, welche den absolut niedrigsten Preis für ein Produkt setzen – und das für jedes Produkt innerhalb des gesamten Sortiments dieser Marke. Funktional sind diese Produkte wenig bis gar nicht differenziert. Im LEH sind die Sortimente dieser Handelsmarken oft extrem breit und erstrecken sich über Food und Non-Food. Die Produktqualität folgt dabei den Möglichkeiten der Preissetzung. (Beispiel: „ja!” von REWE)
  • better = mittleres Preissegment: Handelsmarken, die sich im mittleren Preissegment bewegen. Da sie höherpreisig sind als Preiseinstiegsmarken, müssen sie mehr durch Verpackungsdesign und marktübliche Produkt-Features punkten. Ihr Wettbewerb sind die mittel- und höherpreisigen Herstellermarken, die sie in der Regel preislich unterbieten. (Beispiel: METROs „Fine Life“)
  • best = Premium-Handelsmarke: Premium-Handelsmarken sind Handelsmarken mit relativ hoher Qualität und einem höheren Preis als andere Handelsmarken. Sie sollen eine Alternative zu hochwertigen Herstellermarken sein, entweder durch einen relativ niedrigen Preis oder durch besondere Produkteigenschaften wie biologisch, gesund, umweltfreundlich oder fairer Handel.

Vorteile und Nachteile von Handelsmarken

Handelsmarken bringen für Händler sowie Verbraucher einige Vorteile mit sich. Trotzdem sind Handelsmarken auch mit Herausforderungen verbunden, die nicht vernachlässigt werden dürfen.

Welche Vorteile haben Handelsmarken?

  • Preisdifferenz / Preisvorteil gegenüber Herstellermarken – oft bei vergleichbarer Qualität
  • höhere Handelsmarge
  • Kontrolle über sämtliche Entscheidungen, die mit der Marke zusammenhängen über die gesamte Lieferkette hinweg
  • freie Preissetzung
  • Differenzierung vom Wettbewerb durch Schaffung von Marken, die anderswo nicht erhältlich sind
  • Verringerung der Abhängigkeit von großen Markenwarenherstellern

Welche Nachteile haben Handelsmarken?

  • geringere Markenbekanntheit und Markenimage gegenüber konkurrierenden Herstellermarken, die kontinuierlich in Brand Equity investieren
  • im Falle von Qualitätsmängeln bis hin zu Warenrückrufen werden diese direkt mit dem Händler bzw. dem gesamten Unternehmen assoziiert
  • generell eher Follower in Sachen Innovation und Sortimentsneuerungen; häufig werden trendige Produkte erst verspätet von Eigenmarken angeboten. Dieses Argument verliert aber seit Jahren an Gewicht, denn auch Handelsmarken, insbesondere, aber nicht nur, die Premium-Handelsmarken integrieren immer häufiger differenzierende Produktmerkmale in ihr Portfolio. (Beispiel: Saskia Wasser von Lidl der 1,5L-Flasche aus zu 100% recyceltem PET)

Was sind Handelsmarken Beispiele?

Es gibt mittlerweile unzählige Beispiele herausragender, erfolgreicher Handelsmarken in allen Sektoren des Handels. Nachfolgend einige Beispiele für Handelsmarken aus verschiedenen Kategorien:

ja!

Die Rewe-Eigenmarke ja! fungiert seit 1982 als Preiseinstiegsmarke und zeichnet sich daher primär durch niedrige Preise aus. Das bedeutet, dass ja! versucht, mit jedem Produkt in seiner Range einen möglichst niedrigen Preis oder den niedrigsten Preis in der jeweiligen Produktkategorie anzubieten – innerhalb der eigenen Filiale und natürlich auch im Vergleich zum konkurrierenden Handel im Umfeld.

Preiseinstiegsmarken sind häufig sehr breit angelegt, d.h. sie decken ein extrem breites Kategorie-Spektrum ab. So zählt das ja!-Sortiment über 1.000 Produkte und umfasst ein breites Portfolio von Food- und Near-Food-Produkten.

Zu Near-Food zählen Produkte wie Drogerieprodukte und Kosmetik, Tiernahrung bis hin zu Geschirrtabs, Müllbeuteln oder Schaschlik-Spießen – alles das ist zum „Tiefpreis von ja!“ zu finden.

Dies hat zur Konsequenz, dass Preiseinstiegsmarken meist sehr generische Verpackung-Designs aufweisen, weil einem konsistenten Design über zahlreiche Produktkategorien hinweg mehr Priorität eingeräumt wird als die gestalttechnischen „Category Cues“ der zahlreichen Unterkategorien aufzugreifen.

Für Händler haben Preiseinstiegsmarken auch eine besondere Funktion für die Preispositionierung der Händlermarke (bei ja! ist das die Händlermarke REWE), denn über den niedrigen Preis wie auch über den Preisabstand zur Herstellermarke kann die eigene Preiswürdigkeit oder gar Preisführerschaft dokumentiert werden.

Dieser Logik bedient sich z.B. Lidl immer wieder über die „Du hast die Wahl“-Kampagne, in der Eigenmarke und Herstellermarke vergleichend nebeneinander gestellt werden.

REWE Feine Welt

Als Abgrenzung zur preisgünstigen Einstiegsmarke ja! gibt es bei Rewe die Premium-Eigenmarke „REWE Feine Welt“. Unter dem Motto „Köstlichkeiten für besondere Momente“ werden von der Handelsmarke Food-Artikel und Delikatessen verkauft. Das Sortiment der Eigenmarke beschränkt sich auf etwas über 100 Artikel.

Preiseinstiegsmarken bieten zwar starke preisliche Abgrenzung zur Konkurrenz der Herstellermarken bei ansprechender Qualität – aber sie haben nur begrenzte Wirkung zur nachhaltigen Differenzierung, denn sie sind per se generisch, funktional eher austauschbar und emotional wenig aufgeladen.

Daher haben fast alle Händler mittlerweile Premium-Eigenmarken auf den Markt gebracht. Dabei handelt es sich um eigenständige Produkte – und eben nicht einfach um Nachahmerprodukte“ von höherpreisigen Markenprodukten.

Durch den Fokus auf Faktoren wie hochwertigere Inhaltsstoffe und Nachhaltigkeit reagieren Händler mit Premium-Handelsmarken auf veränderte Einstellungen der Verbraucher, die lange schon nicht mehr nur auf das Preis-Leistungs-Verhältnis achten, sondern auch auf die Gesamtwirkung eines Produkts in ihrem Leben und für die Gesellschaft als Ganzes.

Durch diese Premium-Produktlinien können Einzelhändler ihre Kommunikation weiterentwickeln und ihre Reichweite ausbauen, da sie nicht mehr nur noch den preisaffinen Shopper ansprechen. Durch die Einbindung von differenzierenden Produktaussagen werden Handelsmarken dann als tatsächlich gleichwertig mit Herstellermarken positioniert.

Anstatt den Preis hervorzuheben, konzentrieren sich die Botschaften auf die Vorzüge ihrer Produkte: Qualität, Herkunft oder Genuss. Auf diese Weise können die Einzelhändler wie REWE ihre Präsenz in den sozialen Medien nutzen und über qualitätsorientiertes Storytelling neue Kundensegmente erreichen.

Vemondo

Unter der veganen Eigenmarke Vemondo bietet Lidl pflanzliche Alternativprodukte an und positioniert sich als „Partner für vegane Ernährung“. Die Produktpalette enthält vegane Alternativen zu Milch, Joghurt und Fleisch, aber auch vegane Fertiggerichte sowie Pizza und Eis.

Mit dem Launch von Vemondo geht Lidl über die reine Preisvorteils-Mechanik von Handelsmarken hinaus:

  • Der vegane Markt ist noch relativ jung und unterentwickelt, wächst aber rasant.
  • Noch gibt es nicht viele etablierte Herstellermarken. Außerdem befinden sich vegane Herstellermarken häufig auf einem sehr hohen Preisniveau
  • Insgesamt ist das Angebot an veganen Produkten unterentwickelt ist, Verbraucher müssen weite Wege gehen, um ihren Gesamtbedarf zu decken

In diese Lücke stößt Lidl. Vemondo wird in allen Lidl Filialen vertrieben. Somit positioniert sich Vemondo als vegane Eigenmarke mit breiter Verfügbarkeit (in über 3.200 Filialen) und preislich deutlich unter vergleichbaren veganer Herstellermarken.

Im Vergleich: Die Alpro Soya Joghurtalternative Vanille kostet 2,49€/500g, der Sojajoghurt Vanille von Vemondo kostet 1.19€/500g (-52%).

Mit dem Wachstum des veganen Marktes sehen wir eine neue Rolle für Handelsmarken als Marktmacher und Innovationstreiber. Dementsprechend spielt sich der Wettbewerb der veganen Marken verstärkt zwischen Handelsmarken ab, statt wie bisher zwischen Handels- und Herstellermarken.

Zalando

Auch Zalando bietet verschiedene Eigenmarken an und deckt dabei vom Design bis zum Verkauf die gesamte Wertschöpfungskette ab.

Den Vertrieb von Handelsmarken begann Zalando über die Tochterfirma zlabels, um „um Lücken im Sortiment zu füllen“ (Zalando Co-CEO David Schneider). Seit 2019 laufen die Handelsmarken nicht mehr über die Tochterfirma, sondern unter einem Dach mit den Partnermarken.

Zalando nennt für seine Eigenmarken mittlerweile einen weiteren, zentralen Fokus: Nachhaltigkeit. Das Unternehmen möchte sicherstellen, dass ethische Arbeitsbedingungen, Produktschutz, sowie Klimafreundlichkeit garantiert werden. Dies geht am besten über komplett kontrollierbare Eigenmarken. So nutzt Zalando – ähnlich wie Lidl mit Vemondo – Eigenmarken zur strategischen Positionierung des Gesamtunternehmens.

Laut eigenen Angaben bestanden 2020 50% des Eigenmarkensortiments aus nachhaltigeren Produkten; die Eigenmarke ZIGN ist vollständig auf Nachhaltigkeit ausgerichtet.

Balea

Balea ist eine der bekanntesten und beliebtesten Eigenmarken für Pflegeprodukte. Reinigungsschaum, Fußcreme, Kaltwachsstreifen und vieles mehr. Das Sortiment umfasst über 600 Produkte zur Körperpflege für jung und alt, Mann und Frau. Für die verschiedenen Altersklassen gibt es eigene Serien: für junge Haut (Hautrein), für Haut ab 30 (Q10), 35 (Beauty Hyaluron), Mitte 40 (VITAL) und ab 55 (VITAL+).

Das Motto lautet: hohe Qualität, fairer Preis. Seit über 27 Jahren beweist sich die Handelsmarke von dm als Konkurrent von Nivea. Balea ist aber mittlerweile mehr als die günstige dm-Eigenmarke. Bei einer Studie zum Preis-Leistungs-Verhältnis von YouGov-BrandIndex im Jahr 2020 rankt Balea mit 48,3% der Stimmen auf Platz 1 in der Kategorie Pflege und Kosmetik. Für Nivea stimmten hingegen nur 38,7% der Befragten. Hieraus wird klar: die Qualität von Eigenmarken kann selbst zu einem geringeren Preis mindestens mit dem Level etablierter Herstellermarken mithalten.

Auch interessant: Balea ist nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen europäischen Ländern zu erhalten. Aber auch in Asien ist Balea nachgefragt. Seit 2016 kann man Balea über die Alibaba-Plattform Tmall Global auch in China kaufen. In Südkorea wird seit 2019 eine Auswahl der Produkte vom Kooperationspartner Lotte vertrieben.

ROOTS Brand Strategy Consultants GmbH sind Strategie-Experten für Marken- und Marketingberatung, u.a. im Handel. Aufgrund langjähriger Erfahrung im Management international tätiger Handelskonzerne und in der Beratung ebensolcher kennen wir uns mit den aktuellen strategischen Fragestellungen des Handels aus und unterstützen z.B. bei der Entwicklung von Strategien und Lösungen für Handelsmarken.

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Autor

Richard Erbler

Geschäftsführer ROOTS Marketingberatung

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