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Wie gehen wir bei einem Marken­positionierungs­projekt vor?

Beitrag von: Richard Erbler | Lesedauer: Min.
Illustration einer Checkliste zur Darstellung der Vorgehensweise bei einer Markenpositionierung.

Jede Marke hat natürlich ihre eigene Geschichte, Markt- und Wettbewerbssituation. Aus diesem Grund wird jedes Markenpositionierungs-Projekt ein individuelles Herangehen erfordern. Ein mögliches, exemplarisches Vorgehen könnte wie folgt aussehen:

1. Markt- und Marken-Audit

Umfassende Analyse der Ist-Situation, insbesondere Sichtung und Auswertung existierender Strategiedokumente, Markenstudien, Brand Trackings, Marktdaten, Wettbewerbsdaten und natürlich Kunden- bzw. Konsumentendaten und -studien. Außerdem sollten Interviews mit internen Stakeholdern (Vorstand u.a.) durchgeführt werden. In der Audit-Phase sind fünf Aspekte von herausragender Bedeutung:

  • Wurzeln: Verständnis über die Ursprünge und Anfänge des Unternehmens und der Marke. Ein Blick in den Rückspiegel, der häufig längst vergessene Stärken oder die Grundidee (Purpose) der Marke wieder sichtbar macht. Die Wurzeln des Unternehmens können eine wichtige, glaubwürdige Quelle für die zukünftige Markenpositionierung darstellen.
  • Ziele: Klärung der übergeordneten Unternehmensziele, denn die Marke muss diese Ziele unterstützen. Nur durch die klare Ankopplung an die Unternehmensziele können Marke und anschließendes Marketing den gewünschten Wertbeitrag zum Unternehmenserfolg beisteuern.
  • Markt & Wettbewerb: profunde Analyse der aktuellen Marktlage und Vorausschau auf relevante zukünftige Entwicklungen, wenn möglich bis runter auf die Ebene von zukünftigen Profit Pools, um die interessantesten Marksegmente zu identifizieren („fish where the fish are“). Analyse der wichtigsten Wettbewerber, inkl. Newcomer, ihres Leistungsportfolios und ihrer Spitzenleistungen (USPs).
  • Kunden: Verständnis darüber, wer die Zielkunden sind, welche Bedürfnisse und Motivationen sie antreiben, und wie sie aktuell über unsere Marke und die Wettbewerber denken. Da dieses Kundenverständnis häufig nicht in ausreichender Tiefe vorliegt, braucht es ggf. ein zusätzliches Insighting (siehe unten).
  • Angebot / Produktbeschreibung: Zusammentragen aller relevanten Bestandteile des Angebots bzw. Produktes. Was bieten wir, was können wir, was glauben wir besser zu können als die Wettbewerber? Aus dem Abgleich unseres Leistungsspektrums mit Kundenbedürfnissen und Wettbewerbern ergeben sich oft schon Indikationen zur Markendifferenzierung – oder manchmal auch Hinweise auf eine fehlende produkt-/angebotsseitige Differenzierung.

In dieser umfangreichen analytischen Erstphase liegt (zusammen mit Phase 2, Insighting) der Schlüssel zum Erfolg. Daher sollten für diese Phase ausreichend Zeit und Ressourcen eingeplant werden.

2. Insighting

Zu Beginn eines Markenpositionierungs-Projektes ist es wichtig, ein tiefes Kundenverständnis zu entwickeln, d.h den Menschen hinter dem Kunden zu verstehen, also seine tieferliegenden Bedürfnisse und Motivationen (Human Insights). Dazu gibt es zahlreiche Ansätze in der Marktforschung. Wir empfehlen gerne, mit Kunden-Safaris (aka Customer Immersions) zu beginnen, und in einem zweiten Schritt in klassische Marktforschung einzusteigen:

  • Kunden-Safaris („Customer Immersions“): alle Mitglieder des Projekt-Teams verbringen einen Tag mit einem/r Kunden/in und beobachten & interviewen diese/n in seinem/ihrem Alltag und im Umgang mit Ihrem Produkt oder Service. Neben dem Erlangen erster Einblicke in die echte Lebenswelt der Kunden, erfährt man in der Regel Wichtiges zu den grundsätzlichen Ambitionen, Sorgen, Erwartungen der Zielgruppe – echtes Leben statt Powerpoint. Ergebnis: erste relevante Insights und extrem hohe Beteiligung und Begeisterung im Projekt-Team.
  • Qualitative Marktforschung: Focus-Gruppen oder 1:1-Individualinterviews mit umsatzstarken Kunden aller Kundengruppen zu grundlegenden Lebens- und Arbeitsmotivationen der Zielgruppen, ihren Zielen, Hoffnungen, Herausforderungen, Ängsten (Durchführung über spezialisierte Marktforschungsanbieter). Ergebnis: Kundentypologisierung sowie fundierte Insights und Ansatzpunkte zur Positionierung und der möglichen Rolle der Marke im Leben der Zielgruppe. Die Erkenntnisse und Hypothesen aus Kunden-Safaris sind hier der Ausgangspunkt und Teil des Briefings an die MaFo-Experten, die letztlich auch das für die spezifische Aufgabenstellung am besten geeignete MaFo-Verfahren vorschlagen sollten.

3. Konzept­entwicklung

Im dritten Schritt werden dann auf Basis der Erkenntnisse aus den Phase 1 und 2 Positionierungs­ansätze entwickelt – beschrieben z.B. als einseitiges Verbalkonzept, oft auch illustriert über Storyboards. Solche Konzepte oder Stories beinhalten die wichtigsten Aspekte der möglichen zukünftigen Positionierung, insbesondere:

  • den Insight, der die Problemlage des Kunden erfasst
  • den erwarteten Kundennutzen
  • und die Angebots-/Leistungsmerkmale, die diesen Nutzen stiften sollen

Je nach Situation kann es auch interessant sein, die aktuelle Positionierung als Konzept gegen neue Idee zu stellen.

4. Validierung

Jetzt wäre es an der Zeit, wieder die Zielkunden einzubinden, um die entwickelten Ideen diskutieren und validieren zu lassen. Letztlich geht es darum, die Positionierungs-Route mit dem größten Potenzial zu identifizieren und einzelne Aspekte innerhalb der verschiedenen Konzepte zu bewerten (was sind positive Faktoren, was wird abgelehnt?).

Oft werden mehrere (zwei) Positionierungs-Konzepte im Vergleich gegeneinander getestet, z.B. als Storyboards (Bilder + Text + Claims) in Kleingruppeninterviews mit verschiedenen Kundengruppen und idealerweise auch durch Mitarbeiter-Interviews. Ergebnis: ein Konzept als Gewinner, ggf. mit Feinschliffbedarf. Und auch Erkenntnisse darüber, was bei der Zielgruppe gar nicht ankommt. (Interview-Durchführung über spezialisierte Marktforschungsanbieter.)

Im Rahmen der Bewertung sollte dabei auch die Kaufwahrscheinlichkeit abgeprüft werden, denn Gefallen allein reicht noch nicht!

5. Finetuning

Nach der Validierungsphase liegt im Idealfall ein klares Gewinnerkonzept vor. Allerdings gibt es in der Regel zusätzliche Erkenntnisse aus der vorangegangenen Marktforschung, wie das Gewinnerkonzept noch stärker gemacht werden kann oder wie Schwächen und Barrieren ausgebügelt werden können. Manchmal entdeckt man auch interessante Teilaspekte in Verlierer-Konzepten, die unter Umständen in das finale Konzept übertragen werden können.

Daher kommt es jetzt zum Feinschliff des Gewinnerkonzeptes auf Basis des erlangten Kunden-Feedbacks. Und am besten binden Sie spätestens jetzt alle wichtigen internen Stakeholder in Ihre Entscheidungsfindung ein.

6. Manifesto

Mit dem Feinschliff des Gewinnerkonzepts in der Hand können Sie jetzt die sämtlichen Erkenntnisse in eine neue Marken-Story gießen, in ein schriftliches Manifest. Dabei handelt es sich nicht um ein trockenes Mission Statement, sondern um Ihr auserzähltes Gewinnerkonzept und die Idee Ihrer Marke, die Idee und Absicht Ihres Unternehmens. Sie erzählen damit Ihre neue Marken-Idee in einer fesselnden Story. Eines der berühmtesten Beispiele für so ein Brand Manifesto ist Apples „Think Different“-Spot.

Im beigefügten Apple-Beispiel handelt es sich um einen tatsächlich geschalteten Werbspot, aber ein Manifesto-Film ist auch für die erste Launch-Phase, den internen Launch für die eigenen Mitarbeiter, extrem wichtig, denn er artikuliert die neue, finale Markenidee und den Brand Purpose, das Markenversprechens und die gesamte Haltung der Marke – und damit ggf. des Unternehmens – in einer kurzen Story.

7. Positionierungsformat

Abschließend wird die komplette Positionierung mit allen finalen „technischen“ Bestandteilen (Insight, Zielgruppe, Spitzenleistungen, Purpose…) ausformuliert. Hierbei gibt es zahlreiche verschiedene Positionierungs-Modelle und Anordnungen, die sich im Kern aber alle sehr ähnlich sind. Wir bei ROOTS versuchen im Idealfall auch ein zur Marke passendes Positionierungsformates zu entwickeln (z.B. Burger-Format für McDonalds).

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Autor

Richard Erbler

Geschäftsführer ROOTS Marketingberatung

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